Ausstellung: „Karstadt und Wismar“
Aus der Hansestadt in die Welt – Beständigkeit trotz stürmischer See
Die Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums und seines Fördervereins zeigt eine Privatsammlung von Holger-Philipp Bergt aus Bremen zum Warenhaus in den wechselvollen Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkrieges, der DDR und der Nachwendezeit bis zur Gegenwart mit dem stetigen Anpassungsprozess an die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden.
Rudolph Karstadts (1856-1944) unternehmerisches Leben startete 1881 in Wismar mit dem Schwerpunkt Textilien in der Krämerstaße 7. Dies war möglich durch das väterliche Kapital von 1000 Thalern (Dies würde heute ca. 5000 Euro entsprechen). Bereits sechs Jahre später zog er nach Lübeck und gründete dort eine zweite Filiale. Es folgten viele weitere Standorte. In Wismar erwarb er die Nachbargrundstücke, um sein Geschäft zu vergrößern und zu modernisieren. Nach der Klärung der politischen Verhältnisse durch die Aufhebung des schwedischen Pfandvertrags, setzte er seine Pläne zur Errichtung eines modernen Kaufhauses, dem heutigen Stammhaus, um. Von 1906-1908 entstand das neue moderne Geschäftshaus. Bedingt durch sein kurzes persönliches Wirken und Wohnen in der Stadt, haben sich kaum Zeugnisse für die Tätigkeit in Wismar erhalten. Anhand einer privaten Sammlung aus Bremen kann das Warenhaus mit seiner wechselvollen Geschichte in den Zeiten des Ersten- und Zweiten Weltkrieges, der DDR und Nachwendezeit bis zur Gegenwart erlebt werden. 130 ausgewählte Exponate aus 22 Filialen in Deutschland geben einen Einblick in den stetigen Anpassungsprozess an die jeweiligen Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden und das geschäftliche Leben. Jede Besucherin und jeder Besucher wird neben dem Bekannten auch Überraschendes entdecken.
Warenhäuser und ihre Entwicklung
Die Ausstellung hat sechs Bereiche: Gründungszeit der Warenhäuser, Entwicklung von Karstadt, die Zeit des Nationalsozialismus, die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die Expansion ab den 70iger Jahren und die Zeit nach 2000.
Im 19. Jahrhundert teilten Warenhäuser mit Markthallen, Fabriken, Bahnhöfen sowie Weltausstellungen einen ähnlichen Architekturstil. Die Verwendung von Eisen und Glas, um der flexiblen Gestaltung der Lichtzufuhr und der Übersichtlichkeit gerecht zu werden, war neu und zeitgemäß. Die gebaute Scheinwelt im 19. Jahrhundert konnte den Menschen Trost schenken und die Illusion eines perfekten Lebens geben. Religion und Vergnügen, Lebensfreude und Luxus wurden miteinander verknüpft.
Die Zugänglichkeit der einzelnen Warenhäuser in den einzelnen Nationen variierte für die verschiedenen sozialen Schichten. Im Unterschied zu den französischen Grands Magasins (große elegante Einkaufshäuser), die hauptsächlich für das Publikum der Bourgeoisie (wohlhabende Bürger) ihre Tore öffneten, wurde in London das Warenhaus Whiteley´s von den Royals bis zu den Proletariern besucht. In Berlin hatten sich die Häuser auf die Bedürfnisse und die finanziellen Möglichkeiten der verschiedenen Käuferschichten spezialisiert. Außerhalb Berlins konzentrierten sich Hermann und Leonhard Tietz in Deutschland auf die Arbeiter und die Mittelschicht. Die anderen Warenhäuser hatten auch Luxusgüter.
Das Warenhaus wurde zu einem besonderen Bereich für Frauen. Es war öffentlich zugänglich und Frauen aus allen Schichten konnten sich frei bewegen. Sie spielten als Konsumentinnen eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig wurden sie auch als Erwerbstätige sichtbar durch die zahlreichen Verkäuferinnen.
In der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg veränderte sich die Architektur der Warenhäuser. Das Warenhaus war kein Palast mehr. Der sachliche Baustil des Bauhauses wurde von fast allen Unternehmen übernommen. Karstadt entwickelte einen eigenen Baustil mit traditionellen Merkmalen wie Lichthöfen und Dachterrassen für Gastronomie. In der Nachkriegszeit wurde das moderne Warenhaus zum Mittel der reinen Bedarfsdeckung.
Portrait Rudolph Karstadt 1931, (Nachdruck 1956), aus den Filialen der Karstadt Häuser, Foto: Holger-Philipp Bergt